Urweizen aus Georgien

Urweizen aus Georgien © Elkana Seed Ark

Georgien hat sich einen Namen als "Wiege des Weins" gemacht, aber nur wenige wissen, dass es auch die weltweit erste Kornkammer ist - einer der Orte, an denen der Anbau von Weizen begann.

Paul Rimple, Food Journalist, 2020

Georgien zählt zu den wichtigesten Ursrpungszentren kultivierter Pflanzen. Von den etwa 20 Weizenarten, die weltweit bekannt sind, wurden 14 Arten in Georgien kultiviert, 5 davon sind georgische Endemiten.

Während der Sowjetzeit wurde die gesamte Landwirtschaft auf die beiden klassischen Weizenarten (Winterweizen Triticum aestivum L. und Sommerweizen Triticum durum) umgestellt. Die lokalen Weizenarten gerieten in Vergessenheit und standen kurz vor dem Aussterben.

Urgetreide aus dem Kaukasus

Ursprungsgebiete der meisten Weizenarten sind der Kaukasus und die südöstliche Türkei. Die ältesten archäologischen Nachweise von Getreidekörnern in Georgien stammen aus der Jungsteinzeit (3. Jahrtausend vor Chr.) und wurden in Trialeti (Südgeorgien) und Samegrelo (Westgeorgien) entdeckt.

Auffällig ist, dass es in der georgischen Sprache viele unterschiedliche Bezeichnungen für Weizen gibt. Kaum eine andere Sprache kennt so viele gebräuchliche Namen für Weizenarten oder -sorten. So dass man auf einen intensiven Anbau unterschiedlicher Arten über einen langen Zeitraum schließen kann.

Die Verwendung unterschiedlicher Weizennamen finden sich bereits in den ersten georgischen Übersetzungen der Bibel aus dem 5. Jahrhundert:

  • Asli
  • Dika
  • Ipkli

In späteren schriftlichen Quellen erscheinen weitere Namen: Sanduri - Macha - Tawtuchi - Chulugo

Was ist Urgetreide?

Urgetreide wie Einkorn, Emmer und Ur-Dinkel sind ursprüngliche (nicht züchterisch veränderte) Getreidearten.

Älteste Arten

Díe Geschichte der Landwirtschaft beginnt mit dem gezielten Anbau von Wildgetreide, wodurch man die gewünschte Pflanze auf ein Gebiet konzentrierte und in größerer Menge ernten konnte als durch einfaches Sammeln.

Doch wilde Getreidesorten haben entscheidende Nachteile. Nicht nur erbringen sie viel weniger Ertrag, die Spindel der schlanken Ähre zerbricht bei ihnen sehr leicht und die Körner fallen einzeln zu Boden.

Für die Wildpflanze ist dies von Vorteil, denn die einzelnen Körner verfangen sich mit ihren Grannen im Fell oder Gefieder von Tieren und können so verbreitet werden. Für die Ernte ist diese Eigenschaft denkbar unerwünscht.

Ein erster Zuchterfolg gelang den frühen Bauern daher mit der Auswahl von solchen Exemplaren, deren Körner auch nach der Reife mit den Ähren fest verbunden blieben und erst beim Dreschen von diesen getrennt wurden. Der älteste vom Menschen genutzte Wildweizen ist das Wild-Einkorn (Triticum boeoticum). Überreste dieser Pflanze wurden in alten Siedlungen in Jericho und Syrien entdeckt - mit einem Alter von über 11.000 Jahren.

Einkorn

Kulturpflanze wurde das Einkorn (Triticum monococcum) spätestens im 7. vorchristlichen Jahrtausend. Es weist bereits eine höhere Spindelfestigkeit auf, lässt sich dadurch leichter ernten. Durch gezielte Zucht entstanden Sorten mit vierfachem und sogar sechsfachem Chromosomensatz (Chromosomen = Träger der genetischen Erbinformation), dadurch änderten sich auch die Eigenschaften. Die ersten Weizenarten mit sechsfachem Chromosomensatz entstanden vor knapp 7.000 Jahren.

Weichweizen

Heute dominiert mit dem Saat- oder Weichweizen (Triticum aestivum) ebenfalls eine Art mit sechsfachem Chromosomensatz. Er besitzt Eigenschaften, die ihn für die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie besonders interessant machen:

  • Die Ähren brechen erst beim Dreschen
  • die Körner sind mit den Hüllblättern (Spelzen) nicht fest verwachsen
  • das Korn enthält genau die richtige Menge Gluten (Klebereiweiß), um optimale Backeigenschaften zu gewährleisten.

Dinkel

Beim Dinkel (Triticum spelta), einer weiteren Weizenart mit sechsfachem Chromosomensatz, sind die Spelzen fest mit dem Korn verwachsen und müssen aufwendig von ihm getrennt werden, weshalb der Dinkelanbau weniger weit verbreitet ist.

Hartweizen

Der Hartweizen (Triticum durum) enthält besonders viel Klebereiweiß. Er ist zwar nicht so ertragreich wie der Saatweizen und braucht relativ viel Wärme zum Wachstum, ist aber optimal geeignet zur Nudelherstellung, da er die Nudeln in Form hält und für den richtigen "Biss" sorgt.

Quelle: Unterrichtsmaterial für die Sekundarstufe: www.planet-schule.de

Urweizenarten aus Georgien

Wissenschaftlicher Name

Georgischer Name

Merkmale

Triticum palaeocolchicum Men. Asli
tetraploid, Emmer, endemische Art
Triticum carthlicum Nevsy Dika
tetraploid, Hartweizen, endemische Art
Triticum timopheevii Zhuk. Tschelta Sanduri tetraploid, endemische Art
Triticum zhukovskyi Men. Sanduri hexaploid, endemische Art
Triticum macha Dek & Men. Macha hexaploid, endemische Art
Triticum aestivum L. var. ferrugineum Ziteli Doli hexaploid, Weichweizen, endemische Unterart

Tschelta Sanduri

Triticum timopheevii Zhuk.
tetraploid | Endemit

Tschelta Sanduri (ჩელტა ზანდური, engl. Chelta Zanduri) zählt zu den wichtigsten georgischen Urweizenarten. Erstmals erwähnt wurde sie von dem Botaniker Güldenstädt (1771-1773).

Im Jahr 1932 beschrieb der Botaniker Zhukovskyi die besonderen Merkmale und trug so dazu bei, dass sie auch im Ausland bekannter wurde. Dies leitete eine verstärkte Nutzung als genetisches Material ein. Zu ihren positiven Eigenschaften gehört die absolute Immunität gegenüber Krankheiten und Schädlingen.

In den Bergregionen wurde Sanduri Brot traditionell bei besonderen Anlässen gebacken, um Ereignisse zu feiern und Ehrengäste zu bewirten.

Vorkommen: Ratscha-Letschchumi

Sanduri

Triticum zhukovskyi Men.
hexaploid | Endemit

Zhykovskyi Sanduri (ზანდური, engl. Zanduri) ist eine vergleichsweise junge georgische Weizenart, sie wurde erst im 20. Jahrhundert entdeckt. Die Blätter sind stachelig, und die Ähre ist lang und relativ schmal. In ökologischer Hinsicht ähnelt sie der Triticum timopheevii und gedeiht besonders gut in feuchten, kühlen Hügelregionen. Der Proteingehalt des Korns beträgt 23,6%. Das aus seinem Mehl gebackene Brot zeichnet sich durch eine hohe Qualität und einen beachtlichen Nährwert aus. Wie alle Sanduri Weizenarten ist sie für ihre ausgeprägte Immunität bekannt.

Macha

Triticum macha Dek & Men.
hexaploid | Endemit

Macha (მახა, engl. Makha) ist eine georgische Weizenart aus der Region Letschchumi. Zu ihren wünschenswerten Eigenschaften gehören: Anpassungsfähigkeit an feuchte Umgebungen, ziemlich hohe Resistenz gegen Krankheiten und Schädlinge. Er ist weniger anspruchsvoll gegenüber Böden, hat hohe Halme; sein Proteingehalt beträgt 18%. Er hat gute Backeigenschaften und ein gutes Ertragspotenzial unter Bedingungen einer feuchten Umgebung, in der andere Weizensorten anfällig für Pilzkrankheiten werden.

Der Name "Macha" findet sich in vielen Regionen Georgiens mit unterschiedlicher Bedeutung. Ethnologen vermuten, dass es eine Getreidegöttin mit diesem Namen gegeben haben könnte.

Vorkommen: in der Region Racha-Lechkhumi in den Bergzonen, in Höhenlagen von 900 bis 1.200 Metern über dem Meeresspiegel.

Asli

Triticum palaeocolchicum Men.
tetraploid | Endemit

Kolchischer Asli (ქოლხური ასლი, engl. Kolkuri Asli) ist eine georgische Emmer Getreideart und ein lebendes Relikt aus der Jungsteinzeit.

Er zeichnet sich durch seine Resistenz gegenüber Pilzkrankheiten aus und weist einen hohen Proteingehalt von 18,8% auf. Die Qualität des Glutens macht ihn für Brotbacken geeignet.

Dika

Triticum carthlicum Nevsky
tetraploid | Endemit

Dika (დიკა) ist eine georgische Hartweizenart, die in der historischen Region Messchetien zur Zubereitung lokaler Spezialitäten aus Nudelteig z.b die mit Trockenfleisch gefüllte Teigtaschen Apochti (აფოხტი, engl. Apokhti) verwendet wird. Sie wurde 1924 von Nevsky beschrieben.

Vorkommen: Samzche-Dschawachetien (Region in Südgeorgien) in Höhenlagen von 1.000 bis 2.000 Metern über dem Meeresspiegel.

Ziteli Doli

Triticum aestivum L. var. ferrugineum
hexaploid | Endemit

Ziteli Doli (წითელი დოლი, Roter Doli, engl. Tsiteli Doli) ist eine georgische Weichweizen-Unterart.

Bereits im 5. Jahrhundert wird es unter dem alten Namen Ipkli erwähnt. Es gibt verschiedene Sorten in Messchetien, Kachetien und Swanetien, die sich unter völlig unterschiedlichen ökologischen Bedingungen entwickelt haben.

Doli gilt als resistent und ertragssicher. Vom Geschmack her ist er aromatisch und leicht süß, was ihn besonders auch für Kuchengebäck geeignet macht. Er hat weniger Kleber, lässt sich jedoch ähnlich wie normaler Weizen zu Brot verarbeiten. Auch außerhalb Georgiens ist das Getreide bekannt, wie z.B. in Frankreich unter dem Namen "Caucasus Rouge".

Wie viele alten Weizensorten hat auch Ziteli Doli die besondere Eigenschaft, dass es auch bei einer Gluten-Unverträglichkeit vertragen wird. Ein schöner Dokumentarfilm hierzu: Die Brotrebellen - Jean Jacques und das Gold Georgiens.

Trotz seiner positiven Eigenschaften ist Ziteli Doli auf dem Markt kaum zu finden. Die wenigen Bauern, die ihn anbauen, nutzen ihn hauptsächlich für den Eigenbedarf oder höchstens für Bäckereien.

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