Georgische Teppiche
Der Kasak ist ein Individualist bei dem man keine Regeln oder exakte Musterpräzision erwarten kann und strahlt deswegen eine faszinierende Urtümlichkeit und Eigenwilligkeit aus.
Georg & Aznif Teppichhändler
Georgische Teppiche haben eine lange Tradition und sind unter Teppichhändlern aufgrund ihrer hohen Qualität sehr begehrt. Da sich die Teppiche aber von Region zu Region stark unterscheiden, werden sie allgemein unter der Bezeichnung "Kasak" (Kaukasusteppiche) gehandelt, mit Beifügung des jeweiligen Ortsnamen wie Borchalo (dt. Bortschalo), Lore, Schulaweri u.a.
Die berühmtesten Teppichzentren Georgiens wie die Region Borchalo und Lore liegen heute teilweise auf dem Gebiet Aserbaidschans bzw. Armeniens, weshalb Teppiche dieser Herkunft häufig als aserbaidschanische oder armenische Teppiche deklariert wurden.
Anmerkung zur Bezeichnung "Borchalo": Fast jedes Teppichgeschäft verwendet eine andere Schreibweise, so finden sich auch die Bezeichnungen Bortschalo, Bordjalou, Borchaly, Borcialu, Bor`calo oder Bordjalu.
Historische Entwicklung der georgischen Teppichknüpfkunst
Bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. schrieb der griechische Geschichtsschreiber Herodot, dass die geknüpften Teppiche der kaukasischen Bergvölker besonders wertvoll seien, weil ihre Farbe nicht ausbleiche sondern in der Wolle erhalten bliebe. Ebenso zeugt der Mythos vom "Goldenen Vlies" davon, dass im Kaukasus das Bearbeiten von Schafwolle weit verbreitet war. In ganz Georgien wurden Teppiche geknüpft, am kunstvollsten und vielfältigsten aber in der Region Nieder-Kartlien, in Lore und Borchalo.
Borchalo (heute Marneuli) ist eine historische Region im äußersten Südosten Georgiens. Die hier gebürtigen "Borchalo-Teppiche" (deutsch: "Bortschalo") gelten als die hochwertigsten Teppiche und sind wertvoller als alle anderen kaukasischen Teppiche, auf Auktionen erzielen sie meist den fünffachen Preis. Ihre Besonderheit liegt in der Knüpfdichte, Farbvielfalt und vor allem beständigen Farbintensität.
Entwicklung im Mittelalter
Schon im 10. und 12. Jahrhundert waren die in der benachbarten Provinz Lore (heute Armenien) geknüpften Teppiche in Europa bekannt und an Technik und Individualität vergleichbar mit den Teppichen aus Byzanz. In den folgenden Jahrhunderten wurde die regionale Teppichknüpfkunst von zwei bedeutenden Geschichtsereignissen nachhaltig beeinflusst:
Das erste wichtige Ereignis war die Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen im 15. Jahrhundert. Viele Christen, die den neuen Glauben nicht annehmen wollten, flohen nach Westen und Osten und mit ihnen kamen auch zahlreiche byzantinische Teppichkünstler nach Georgien. Sie siedelten sich im Loregebiet an und bereicherten die dortige Teppichkunst um ihre eigenen Ornamente.
Einen zweiten Kulturaustausch erfuhr das Teppichhandwerk, als im 17. Jahrhundert der iranische Schah Abbas an der Grenzregion Lore einige Tausend iranischstämmige Nomaden ansiedelte, deren uraltes Wissen und Techniken ebenfalls in die lokale Teppichherstellung eingeflossen sind. In einzigartiger Weise hat sich dadurch das geheime Wissen verschiedener Kulturen vereinigt und fortentwickelt.
Entwicklung während der Sowjetunion
Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Georgien wurde das Teppich-Handwerk vollständig auf Massenproduktion umgestellt. Die Fäden wurden maschinell erstellt und die Farben chemisch gewonnen. Der Teppich wurde zu einem Produkt kollektiver Arbeit. Das war er ursprünglich nicht. Ein Teppich war immer das individuelle Ergebnis eines begabten Handwerkers und Künstlers. Von Generation zu Generation wurden das Wissen und die Ornamente weitergegeben und nur die talentiertesten Teppichknüpfer haben eigene Teppiche geschaffen.
Wichtigste Merkmale eines Georgischen Teppichs
Ein klassischer georgischer Teppich, besteht aus reiner Schurwolle - auch die Kettfäden (!), er ist ausschließlich pflanzengefärbt und verwendet klare geometrische Formen und viele verschiedene Farben mit einer großen Bereitschaft zu gewagten Kontrasten.
Als Teppich-Knüpfmeister durften sich nur diejenigen bezeichnen, die alle Arbeitsschritte beherrschten und selbst durchgeführt haben. Die Vorbereitung eines Teppichknüpfers begann mit der Auswahl geeigneter Schafe für die richtige Wolle und mit dem Sammeln der Pflanzen für die Farbherstellung. Die Wolle wurde selbst gefärbt, der Faden selbst gesponnen und erst dann konnte der Künstler mit der eigentlichen Arbeit an seinem Teppich beginnen, die nochmals sechs Monate bis drei Jahre lang dauerte.
In Ostgeorgien war die Schafzucht und damit auch das Teppichknüpfen sehr verbreitet. Jedes Dorf hatte seine eigenen Motive und Traditionen. Die Teppiche waren hier in jeder Phase ganz persönliche und unabhängige Schöpfungen. Die Muster sind oft nicht ganz regelmäßig und enthalten bäuerliche Motive (z.B. naive Darstellungen von Hühnern, Vögel oder Mann und Frau). Sie wurden von den Frauen zur Aussteuer oder für die eigene Familie geschaffen und waren nicht für den Verkauf bestimmt.
Größere Teppichwerkstätten gab es nur im Südosten Georgiens, in den noch heute bekannten Gebieten Lore und Bortschalo, hier arbeiteteten auch Männer als Teppichknüpfer. Es waren Aserbaidschaner und Armenier, die sich hier angesiedelt hatten und das Teppiche-Knüpfen als Beruf ausübten und Teppiche speziell für den Verkauf produzierten.
Kaukasusteppiche in Europa
Um 330 v. Chr. brachte Alexander der Große erstmals Orientteppiche von seinen Asienfeldzügen mit ins Abendland. Die Teppiche des Kaukasus kamen fast immer durch Vermittlung nach Europa, Jahrhundertelang über die Türkei, so dass sie meist als türkische Ware gehandelt wurden, später über Russland.
Es haben sich nur sehr wenige alte Teppiche erhalten. Eine aufschlussreiche Informationsquelle über das hohe Alter bestimmter Motive und Ornamente stellen die mittelalterlichen Gemälde, vor allem die Bilder der Flämischen Schule dar. Durch ihre große Liebe zum Detail beim Festhalten von Alltagsszenen oder bei der Auftragsmalerei bekannter Adelshöfe wurden ab dem 14. Jahrhundert auch Teppiche mitgemalt und so findet man auf zahlreichen Bildern u.a. von Hans Holbein und Lorenzo Lotto, Hans Memling und Jan van Eyck Darstellungen kaukasischer Teppiche.
Dadurch, dass im Kaukasus so vielfältige Teppiche entstanden sind - jede Familie hatte ihren eigenen Stil und eigene Methoden - ist es bis heute selbst für erfahrene Sammler und Experten schwer, einen Kaukasusteppich richtig zuzuordnen. Hinzu kommt, dass im Zuge der sowjetischen Zwangsumsiedelungen Grenzen verschoben und zahlreiche Dörfer und Regionen umbenannt worden sind, um die Erinnerung an die alten Familien auszulöschen.
Wiederauffindung der alten Teppichknüpfkunst
Ein Teppich ist eine Geschichte. In ihr verbergen sich wiederum unzählige andere Geschichten. Das sind alles einzelne Fäden. Der einzelne Faden ist wiederum auch eine einzelne Geschichte. Du bist ein Faden, ich bin ein Faden, zusammen ergeben wir eine kleine Verzierung, mit vielen anderen Fäden zusammen ergeben wir ein Muster. Die Fäden sind alle verschieden, verschieden dick oder dünn, in verschiedenen Farben gehalten. Die Muster sind einzeln schwer zugänglich, aber wenn man sie im Zusammenhang betrachtet, dann erschließen sich einem viele fantastische Dinge.
Nino Haratischwili, "Das achte Leben" S. 30
Durch die Zwangskollektivierung der kommunistischen Regierung war in nur zehn bis fünfzehn Jahren die Kunst der georgischen Teppichherstellung völlig verschwunden. Als man in Europa begann, Teppiche im großen Stil zu importieren, galten die neuen Teppiche aus dem Kaukasus bereits als minderwertige Ware. Als dann die Georgier nach Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit siebzig Jahre später wieder zur traditionellen Teppichherstellung wechseln wollten, gab es in ganz Georgien niemanden mehr, der die alten Techniken beherrschte.
Aufmerksam auf den Verlust ihrer Kunst wurden einzelne Georgier erst, als nach Zusammenbruch der Sowjetunion Teppichhändler aus der Türkei in georgischen Dörfern auftauchten und systematisch alte Teppiche aufkauften, wobei für original georgische Teppiche immer ein Vielfaches gezahlt wurde als für Teppiche aus Iran, Aserbaidschan, Armenien oder der Türkei.
Der georgische Teppichspezialist Davit Beraia untersuchte über 40 Jahre die verschiedenen Knüpf- und Bearbeitungsmethoden in Georgien, Armenien, Aserbaidjan, Türkei und Iran. Anhand seiner Forschungen zeigt er auf, dass der berühmte "Bortschalo" ein unikular georgischer Teppich ist, der ohne Zweifel in Georgien und nach georgischer Methode geschaffen wurde, und führte mit dem gesammelten Wissen über mehrere Jahre eine kleine Teppichwerkstatt in Sighnaghi, die wieder nach altem Verfahren knüpfte.
Kaukasische Teppiche in Tbilissi kaufen
In Tbilissi gibt es mehrere Teppichhändler, die sowohl neue als auch ältere Kaukasusteppiche verkaufen. Ein ganz besonderer Laden befindet sich in der Sioni Straße, untergebracht in einer ehemaligen Karawanserei. Die Inhaberin Manana ist Expertin für Orientteppiche, in ihrem Lager hat sie mehr als 20.000 Teppiche, nur ein kleiner Teil von ihnen ist im Laden zu besichtigen.
Man findet hier unterschiedlichste kaukasiche Teppiche aus Aserbaidschan, Iran, Osttürkei, aber auch typisch georgische Teppiche aus Tuschetien, Kachetien und dem von Kisten bewohnten Pankisital.
Selbst wenn man keinen Teppich erstehen möchte, ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Manana spricht sehr gut englisch und erzählt mit großer Leidenschaft von ihren Teppichen und deren Herkunft.
Quelle: Davit Beraia (private Aufzeichnungen u. persönliche Interviews)
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